Juli 2023: Selten hat die Debatte des Bundestags um die Finanzierung staatlicher Aufgaben eine so breite und zugleich vielschichtige Diskussion in der Bevölkerung hervorgerufen wie der Haushaltsentwurf für das Jahr 2024. Es muss gespart werden, und nur wenige Ressorts werden wenigstens ihre Kernaufgaben vor schmerzhaften Einschnitten bewahren können. In besonderer Weise betroffen ist das Familienministerium, das die ohnehin schwierige Aufgabe hat, die Existenzgrundlagen der Familien auch in instabilen Zeiten halbwegs tragfähig zu halten.
Die Familienministerin hat sich schwergetan, das Elterngeld für gutverdienende Paare in den Ring zu werfen. Zwar steht außer Frage, dass junge Familien nicht in Not geraten, wenn jenseits eines Haushaltseinkommens von 150.000 Euro Väter oder Mütter zur Pflege ihres Neugeborenen Elternzeit in Anspruch nehmen. Doch was für Geringverdienende und Einelternfamilien existenzsichernd ist, besitzt für Paare mit einem hohen Einkommen eher symbolische Bedeutung. Als Lohnersatz signalisiert das Elterngeld einen wichtigen Schritt zur Überbrückung der Kluft zwischen Erwerbs- und Familienarbeit und ist damit ein Trittstein auf dem Weg in eine andere Ökonomie.
Mit der noch geltenden Fassung des Elternzeitgesetzes hat der Gesetzgeber auch Personen aus den oberen Rängen der Arbeitswelt eingeladen, sich für die aktive Beteiligung an der Versorgung ihres Nachwuchses freistellen zu lassen. Es bedarf keines Kommentars, dass damit vor allem Väter angesprochen sind. Immerhin lag der Väteranteil an allen Elterngeldbezügen 2022 bei 26 Prozent, während die Väterbeteiligung beim früheren Erziehungsgeld bei drei Prozent stagnierte. (PM Nr. 123 des Statistischen Bundesamtes v. 29.03.2023).
Die Steigerung ist beträchtlich, bleibt jedoch weit entfernt vom Ziel der Parität. Bezögen bei allen Kindern Mütter und Väter gleichermaßen Elterngeld, läge der Väteranteil bei 50 %. Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Bereich unbezahlter Familienarbeit käme indes nicht nur Frauen zugute. Studien haben erwiesen, dass ein stärkeres Engagement von Vätern für die Familie sowohl ihnen selbst als auch der kognitiven und sozialen Entwicklung ihrer Kinder förderlich wäre. Im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile hat die OECD ihren Mitgliedsstaaten schon vor Jahren empfohlen, mehr Anreize für eine gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit zu schaffen.
Die öffentliche Diskussion greift zu kurz, wenn die Beschneidung des Elterngelds vor allem als Verteilung und Umverteilung knapper Ressourcen betrachtet wird. Mit seinem Hinweis auf die negativen Folgen für die Gleichstellungspolitik (PM 053 vom 05.07.2023) hat das Ministerium selbst dazu aufgefordert, den Horizont der Sparmaßnahmen zu erweitern. Die Ausgestaltung des Verhältnisses von Beruf und Familie hat nicht nur für die Einzelperson, sondern auch für die Wirtschaftsweise der späten Industriegesellschaft weitreichende Folgen.
Der Vorstoß aus der SPD, anstelle der Kürzung des Elterngelds das Ehegattensplitting ins Visier zu nehmen, markiert das Feld für eine sozialökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft aus feministisch-ökonomischer Perspektive. Wer in einem postindustriellen Zeitalter die systemisch wachsende Armutsgefährdung von Frauen und ihren Kindern verringern will, muss bereit sein, die steuerliche Privilegierung des traditionellen, lediglich durch die Ehe legitimierten ‚Hauptverdieners‘ abzuschaffen.
Ganz unabhängig von der überfälligen Abschaffung von Geschlechterrollen ist die Zeit gekommen, unbezahlte (Sorge)Arbeit in der Familie als ökonomisch relevant zu betrachten.