Mein Lebenslauf
Als ich 1949 in Göppingen Abitur machte, hatte ich an mehreren Fächern Interesse, die sich in Tübingen studieren ließen: Theologie, Physik, Jura, Medizin. Bei der Zulassung hatten späte Kriegsheimkehrer Vorrang, und so landete ich schließlich im Leibniz-Kolleg. Geld hatte ich nicht, es war klar, dass meine Studierlust mein Privatvergnügen war.
Ich erhielt ein USA-Stipendium und begann 1950 mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, das ich 1951 in Paris fortsetzte und 1953 in Tübingen abschloss. Ein Graduiertenstipendium führte mich erneut an die Pariser Universität. Nach meiner Rückkehr erwies es sich, dass mir als Frau auf dem konservativen heimischen Arbeitsmarkt eine qualifizierte Tätigkeit nicht offen stand. Ich heiratete 1954 und arbeitete als Kontoristin und Sachbearbeiterin in der mittelständischen Industrie. Im Herbst 1958 promovierten mein Mann und ich fast gleichzeitig an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. Kurz darauf kam unsere erste Tochter zur Welt.
Für meine Kinder und die Karriere meines Mannes pausierte ich bis 1969. Eine Tätigkeit als Hilfslehrerin an der Hauptschule ermöglichte mir den sog. Wiedereinstieg. Danach arbeitete ich im mittleren Management einer Ingenieurgesellschaft, bis ich 1973 eine Anstellung als Referentin für Berufliche Bildung beim nordrhein-westfälischen Volkshochschulverband erhielt. Nach der Wiedervereinigung übte ich im Auftrag des Landes NRW eine Beratungstätigkeit in Brandenburg aus. Seit 1993 bin ich Rentnerin und wohne in Köln.
Mein Mann ist früh gestorben. Ein bewegtes Leben betrachte ich als exemplarisch für Berufsverläufe in einer offenen Gesellschaft, die sich die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Arbeit und Leben zur Aufgabe macht. Da ich überzeugt bin, dass eine solche Entwicklung von traditionellen akademischen Sichtweisen eher behindert als befördert wird, engagiere ich mich seit 15 Jahren aktiv in verschiedenen internationalen Netzwerken der Feministischen Ökonomie.
22.03.2008
Siehe auch das Zeitzeuginnen-Interview mit dem Kölner Frauengeschichtsverein in 2021: www.youtube.com/watch?v=5jTfGEBf3EY